Talk am Tresen

Warum Qualitätsjournalismus heute wichtiger ist denn je (Februar 2024)

Die legendäre Hamburger Hafenkneipe hat es mitten ins Frankenberger Viertel nach Aachen geschafft. Angelehnt an die Late-Night-Show „Inas Nacht“ richtet die Freie evangelische Gemeinde (FeG) Aachen rund zweimal im Jahr das Format „Talk am Tresen“ aus. Zu aktuellen Themen lädt das Moderatoren-Duo bestehend aus Christian Salinga und Christoph Meul bei Salzstangen, Fassbier und bester musikalischer Unterhaltung zum gepflegten Austausch ein. Am 16. Februar um 20:00 Uhr stand das Thema „Irgendwie mit Medien“ auf dem Programm. Dazu hatten die Gäste Bernd Büttgens, Leiter der Lokalredaktion der Aachener Zeitung, und Lara Langfort-Riepe, Leiterin des Euregionalen Medienzentrums, eine Menge zu berichten. Mehr als 80 Besucher*innen unterschiedlichen Alters füllten den Raum bis auf den letzten Platz und schrieben ihre Fragen auf die bereitgelegten Zettel („Bierdeckelfragen“). Nicht nur die klassisch-elektronische Musik des Pianisten Thomas Hoffmann interpretierte das Thema Medien auf sehr eindrucksvolle Weise, auch das kreativ-liebevolle Interieur bestehend aus Zeitungsblumen und einer Zeitungsgalerie stimmten das Publikum mit viel Stil auf den Abend ein.

Am Tresen spricht es sich am besten! (© Freie evangelische Gemeinde Aachen)

Sowohl im Leben von Bernd Büttgens als auch im Leben von Lara Langfort-Riepe spielen Medien eine zentrale Rolle. Beide Talkgäste haben ihren Ursprung im Journalismus. Während sich der eine heutzutage aber federführend darum kümmert, dass relevante Inhalte Eingang in die Tageszeitung finden, tut die andere alles dafür, dass diese kompetent rezipiert werden können. Im Zeitalter der Digitalität sind Medienunternehmen und Medienangebote einem starken ökonomischen Druck ausgesetzt. Die Nachfrage bestimmt das Angebot und mittlerweile wird jeder einzelne mit einer Flut von Informationen durch das Internet konfrontiert. Dadurch muss der klassische Qualitätsjournalismus vielfach den schnellen kostenlosen Angeboten des World Wide Web weichen. Diese Entwicklung spürt auch das Medienhaus in Aachen und reagiert. Alle Angebote werden bereits digital und tagesaktuell zur Verfügung gestellt. Die Vorlieben der Nutzer*innen werden über ein Tool ausgewertet und haben Einfluss auf die Berichterstattung. Warum man denn mittlerweile auf so viel Kulinarik in der Zeitung stoße, möchte jemand aus dem Publikum wissen. Weil es eben viele Menschen interessiert, erwidert Bernd Büttgens. Und warum die politischen Cartoons abgeschafft wurden, fragt ein anderer. Weil sie teuer waren und sich keiner beschwert hat, als sie plötzlich nicht mehr da waren, antwortet der Chef der Lokalredaktion. Dennoch weise die hiesige Tageszeitung eine große Themen- und Meinungsvielfalt auf, die nicht zuletzt dadurch entstehe, dass die Mitarbeitenden des Zeitungsverlages das gesamte demokratisch-politische Spektrum abdecken würden. 

Die Informationsflut der digitalen Medien ist auch ein zentrales Thema bei der Qualifizierung der Lehr- und Fachkräfte, kann Lara Langfort-Riepe bestätigen. Dabei sei es in der heutigen Zeit gar nicht so einfach, die unterschiedlichen Quellen kompetent zu bewerten. Die Leiterin des Medienzentrums ist der Meinung, dass jede*r Schüler*in über journalistische Kriterien Bescheid wissen muss, um sich im Internet und dabei insbesondere in den sozialen Netzwerken zurechtfinden zu können. Sie lobt das Projekt „Medienstunde“ der Aachener Zeitung und die Angebote außerschulischer Lernorte wie dem Stadtarchiv Aachen. Hier würden Schüler*innen erfahren, was investigativer Journalismus sei und wie man eine Quellenvielfalt gewährleisten kann. 

Zeitungsblumen am Empfang (© Freie evangelische Gemeinde Aachen)

Dass Qualitätsmedien gerade heute gestärkt werden müssen, betonen beide Talkgäste mit Nachdruck. Krisen, Katastrophen und Konflikte bestimmen derzeit das Weltgeschehen. Das spiegelt sich auch in den Medienangeboten wider. Ein Mix an guten und schlechten Schlagzeilen wäre wünschenswert, ist aber nicht immer möglich. Wenn die schlechten zum Stressfaktor werden, empfiehlt die Leitern des Kompetenzzentrums, das Handy einfach mal zur Seite zu legen und den Kopf bei einem Spaziergang freizubekommen. Bernd Büttgens findet den Ausgleich am besten Zuhause bei seiner Familie, da stehen dann andere Themen auf der Agenda als das Nachrichtengeschehen. 

Auch bei einer Flut von negativen Nachrichten darf eine bewusste Ignoranz unangenehmer Ereignisse niemals die Lösung sein. Dafür sind die Themen zu dringend, dafür bedarf es zu sehr einem Dialog, um Konflikten einen positiven Ausgang zu ermöglichen. Erst kürzlich hat das Medienhaus sich klar gegen die rechte Hetze und die AfD positioniert und im digitalen „Freundeskreis-Forum“ zur eigenen Berichterstattung Stellung bezogen. Dass dabei wenige Leser*innen „Kommentare unter der Gürtellinie“ tätigten, bedauert der Chef der Lokalredaktion sehr. Das Engagement des Medienhauses zeige aber, wie wichtig die Arbeit der Zeitung weiterhin ist, so Christian Salinga, Moderator des Abends. Er selbst hat auch an der Veranstaltung der Aachener Zeitung teilgenommen. 

Thomas Hoffmann interpretiert das Thema Medien musikalisch (© Freie evangelische Gemeinde Aachen)

Wie es sich für ein gutes Unterhaltungsformat gehört, ging der „Talk am Tresen“ in die Verlängerung. Dass sich die Besucher*innen trotzdem bis zum Ende aktiv an der Diskussion beteiligten, spricht nicht zuletzt für die gute Vorbereitung und Gesprächsführung des Moderatoren-Duos. Wer sich bei interessanten aktuellen Themen in launiger Runde gerne aktiv einbringen möchte, sollte den nächsten „Talk am Tresen“ keinesfalls verpassen. Eine Mitgliedschaft in der Kirchengemeinde ist dafür keine Voraussetzung.

Klassiche und elektronische Elemente bilden ein Gesamtwerk (© Thomas Hoffmann)

Lara Langfort-Riepe

Über die Autorin: In der Abizeitung stand bei Berufswunsch: Irgendwas mit Medien für Kinder! Denn schon während ihrer Schulzeit berichtete Lara als rasende Reporterin für junge Menschen. Nach einem wissenschaftlichen Magisterstudium in Greifswald und Münster mit den Schwerpunkten Kindermedien, Medienbildung und Recht sowie einem Fernseh-Volontariat in Köln waren die Kindernachrichtensendung logo! genau wie der Kinderkanal KIKA und die Film- und Fernsehschule in Hamm wichtige Stationen in ihrem beruflichen Leben. So ist es kaum verwunderlich, dass Lara ein großes Faible für die Filmbildung hat. Seit dem Jahr 2016 leitet sie das Euregionale Zentrum für digitale Bildung.

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